Betten werden knapp «Skifahren ist zurzeit nicht verantwortungsbewusst»

tafi/dor

15.12.2020

Skiunfälle sind quasi nicht mehr möglich: Die Spitäler im Kanton Graubünden sind wegen der Corona-Pandemie am Anschlag und können keine verunfallten Wintersportler aufnehmen. 
Skiunfälle sind quasi nicht mehr möglich: Die Spitäler im Kanton Graubünden sind wegen der Corona-Pandemie am Anschlag und können keine verunfallten Wintersportler aufnehmen. 
KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Weil die Spitalkapazitäten knapp werden, will Graubünden verunfallte Skifahrer in ihre Heimatkantone spedieren. Die haben aber selbst keinen Platz. Die Zürcher Spitaldirektoren warnen explizit vor dem Pistenbesuch.

Graubünden ist mit dem Vorhaben gescheitert, verunfallte Wintersportler in Spitäler in ihren Wohnkanton zu verlegen. Da der wichtigste Tourismuskanton davon ausgeht, dass seine bereits an ihre Grenzen stossenden Spitäler in den Weihnachtsferien nur noch beschränkt verunfallte Wintersportler behandeln können, sollten die Heimatkantone «den Bündnern eine Art Rücknahmegarantie für ihre Einwohner abgeben», schreibt der «Tages-Anzeiger». Doch die anderen Kantone winken offenbar ab, da ihre Spitäler ebenfalls ausgelastet sind.

So rieten die Direktoren der Zürcher Spitäler an einer Medienkonferenz davon ab, in der derzeitigen Lage Ski fahren zu gehen. Man habe in der Vergangenheit oft Unfallpatienten aus Skigebieten übernommen, das aber sei aus Kapazitätsgründen jetzt kaum noch möglich. Zudem ist «das Risiko einer Ansteckung beim Skifahren während der Weihnachtsferien hoch», wie Gregor Zünd, Leiter des Universitätsspitals Zürich, sagte.

«Skifahren ist zurzeit nicht verantwortungsbewusst», doppelte auch Kantonsspital-Direktor Rolf Zehnder nach. Obwohl er selber begeisterter Skifahrer sei, werde er deshalb jetzt nicht auf die Bretter steigen.

Der Bundesrat hatte am 4. Dezember entschieden, dass die Skigebiete trotz der Pandemie weiter offen haben dürfen – ab dem 22. Dezember allerdings nur noch mit einer speziellen Bewilligung ihres Kantons. Die Kantone dürfen die Lizenz für den Wintersport gemäss der bundesrätlichen Verordnung nur dann erteilen, wenn in ihren Spitälern ausreichend Kapazitäten für die Behandlung sowohl von Covid-19-Patienten als auch von anderen Personen, namentlich solchen mit Sportverletzungen, zur Verfügung stehen.

Nicht genügend Reserven

«Wir haben mehrere Spitäler in den Herkunftskantonen unserer Touristen angefragt, ob sie für verunfallte Skitouristen Kapazitäten hätten. Doch die Antworten waren ernüchternd», sagte der Bündner Gesundheitsdirektor Peter Peyer (SP) der Zeitung auf Anfrage. Laut Peyer ist nicht auszuschliessen, dass der Betrieb der Bergbahnen eingeschränkt oder ganz eingestellt werden muss, wenn Graubünden «nicht genügend Reserven in den Intensivstationen hat». Bis auf weiteres bleiben die Skigebiete aber offen, wie die Bündner Regierung am Nachmittag vor den Medien bekanntgab.

Peyer hatte den Engpass in den Bündner Spitälern am Montag in der Krisensitzung der Gesundheitsdirektoren mit Bundesrat Alain Berset angesprochen, wie der «Tages-Anzeiger» unter Berufung auf mehrere Sitzungsteilnehmer berichtet. Berset habe ihm demnach die Schliessung der Skigebiete empfohlen, wenn die Spitäler überfüllt seien.

Peyer hält dieses Vorgehen für problematisch. Die Touristen würden im Winter ohnehin nach Graubünden kommen und bei geschlossenen Pisten mehr Schneeschuhwanderungen und Skitouren unternehmen. Auch dabei könne es zu Unfällen kommen.

Angespannte Lage in der Ostschweiz

Auch in anderen Kantonen stehen die weihnachtlichen Skiferien auf der Kippe. Wegen der angespannten Situation in den Spitälern könnten auch in der Ostschweiz die Pisten geschlossen werden. In St. Gallen stehe die Regierung kurz vor einem entsprechenden Entscheid, weiss der «Tages-Anzeiger». In den beiden Appenzeller Kantonen bereite man sich ebenfalls darauf vor, die Skilifte und Bergbahnen abzustellen. Dies auch aus Rücksicht auf die Nachbarkantone, auf deren Intensivpflegeplätze man aufgrund geringer eigener Spitalkapazitäten zurückgreifen muss.

In Bern und Uri hingegen könnten «Stand jetzt» die «Skigebiete – allen voran Andermatt – geöffnet sein», lässt sich der Urner Gesundheitsdirektor Christian Arnold (SVP) zitieren. In Bern stehe die Wintersportampel derzeit auf Orange, wie Yves Bichsel, Generalsekretär der kantonalen Gesundheitsdirektion, sagt. Das Spitalproblem falle nicht so stark ins Gewicht wie in Graubünden, weil es «auch Spitäler im Flachland gibt, die vom Skisport nicht betroffen sind».

Eine klare Ansage kommt aus dem Kanton Neuenburg. Zwar können die Spitäler in der Romandie auch Patienten aus den Bergkantonen übernehmen, sagt Gesundheitsdirektor Laurent Kurth (SP). Aber man verlange von den Deutschschweizer Kanonen, «dass sie alle Massnahmen treffen, um dieses Szenario zu vermeiden».

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